|
Wir haben uns schon daran gewöhnt, dass wir von IBM, Microsoft und vielen anderen Anbietern mit einer Flut von Anglizismen, Abkürzungen und Akronymen überschwemmt werden. Die Fachsprache der IT-Branche ist für Außenstehende nur noch schwer verständlich, auch wenn viele Begriffe inzwischen in das Umgangsdeutsch eingesickert sind. Frühe Versuche, die Begriffswelt einzudeutschen muten heute fast lächerlich an. Anfang der 80er Jahre wurde man noch von Redaktionen angehalten anstelle von "PC Personal Computer" den Begriff "Kleinrechner" zu benutzen. Das Übel lag darin begründet, dass die Entwicklung der Computertechnologie in den USA vorangetrieben wurde und so ständig neue Anglizismen nach Europa schwappten.
Anglizismus (etwas älter ist die Bezeichnung Anglismus) bezeichnet einen Einfluss der englischen Sprache auf oder in andere Sprachen. Im engeren Sinne versteht man unter einem Anglizismus eine englische Spracheigentümlichkeit, die nach dem Übertragen in eine andere Sprache gegen deren Sprachgebrauch verstößt, also die Übertragung einer für das Englische charakteristischen Erscheinung auf eine andere Sprache. Einfach übernommene englische Vokabeln sind dagegen keine Anglizismen im engeren Sinn, oft wird der Begriff falsch verwendet.
Dabei kommen Anglizismen heute auf allen sprachlichen Ebenen zum Einsatz. So folgen Funk- und Fernsehen dieser Entwicklung und selbst seriöse Zeitungen verfallen der Anwendung von Anglizismen. Inzwischen scheinen Anglizismen zum allgemeinen Sprachgebrauch der Deutschen zu gehören und sind gerade bei Jugendlichen überaus beliebt.
Nicht nur einzelne Wörter aus dem Englischen werden hierbei übernommen, sondern der deutsche Satzbau den Anglizismen angepasst. Mitunter kommt es zur Anwendung von fremdsprachigen Wörtern, die bis dato in der deutschen Sprache nicht verankert waren, man denke da z.B. an downloaden oder recyceln, um nur ein paar Worte aufzuführen.
Der Trend Anglizismen in den deutschen Sprachschatz aufzunehmen, führte daneben zu interessanten Wortkreationen aus je einem englischen und einem deutschen Bestandteil, wie z.B. Popsänger, Werbespot oder Livesendung. Es kam schließlich sogar zu Wortschöpfungen sogenannter Scheinanglizismen, die zwar auf den ersten Blick Englisch wirkten, wie z.B. Handy, Talkmaster und Service Point, die allerdings nicht auf die englische Sprache zurückzuführen sind.
Im Laufe der letzten Jahre haben sich zahlreiche Befürworter und Gegner der Anglizismen einen harten Kampf geboten.
Auf der Seite der Befürworter wird festgestellt, dass die deutsche Sprache mit Anglizismen bereichert werden, auf dem internationalen Markt bei der Verständigung helfen und im Zuge des technischen Fortschritts nicht aufgehalten werden kann. Während die Gegner dieser Entwicklung eine negative Seite darin sehen und eine Barbarisierung der deutschen Sprache vermuten, sodass Jugendlichen von heute kaum noch klassische deutsche Schultexte flüssig lesen noch richtig verstehen können.
Neuerdings kann ein Rückgang an Anglizismen verzeichnet werden, was gerade bei Werbeslogans deutlich wird, die von der Werbeindustrie wieder zunehmend in deutscher Sprache verfasst werden.
Die Aneignung fremdsprachlicher Elemente aus dem Englischen ist bis heute umstritten, wobei eine deutliche Abgrenzung zu Fremdwörtern bisher nicht vollzogen wurde.
Formen der Anglizismen:
Bemerkenswert sind als Sonderfall Begriffe, die falsch verstanden werden können, wenn man sie nicht ins Deutsche übersetzt (z. B. weil der englische Begriff im Deutschen bereits eine abweichende Bedeutung hat): the design, bezogen auf ein technisches System (Maschine, Schiff, elektronische Schaltung, Software) bedeutet „der Entwurf“ (durch einen Ingenieur) und nicht etwa „das Design“ (durch einen Designer) (vgl. Falscher Freund). Auch bezeichnet to control meistens nicht „kontrollieren“, sondern „steuern/regeln“.
Anglizismus |
Bedeutung |
„Bodyguard“ |
Leibwächter (hier hat der Anglizismus das deutsche Wort besonders in der Presse fast ganz verdrängt) |
„Charakter“ |
Durch die häufige Übernahme des englischen character als „Charakter“ ins Deutsche wird die übliche Unterscheidung zwischen dem der Kunstanalyse und -kritik entstammenden Fachterminus der Figur als erdachter, fiktiver Person, besonders in den dramatischen Künsten (etwa in der Literatur, Kino, Videospielhandlungen) einerseits, deren Bezeichnung als „Charakter“ stets einen begrifflichen Fehler aufgrund eines falschen Freundes darstellt, und der Persönlichkeit eines Menschen, d. h. seine seelisch-psychologischen Merkmale und Eigenschaften, die durchaus alternativ als „Charakter“ benannt werden und unter Umständen ebenfalls auch die „Persönlichkeit“ einer erdachten Figur (d. h. die Ansammlung ihrer, wenn auch gleichfalls fiktiven, inneren Merkmale und Eigenschaften, aber eben nicht die Figur an sich!) sein kann, verwässert, so dass bereits viele Leute nicht mehr zwischen dem Fachterminus Figur als erdachter Person der fiktionalen Kunst einerseits und dem Begriff der Persönlichkeit als Ansammlung seelischer Merkmale unterscheiden können. Zunehmend wird auch der der Figur ähnelnde Begriff der Rolle unter dem Ausdruck „Charakter“ zusammengefasst. |
„cool“ |
unklar definierter jugendsprachlicher Begriff, laut DUDEN-Herkunftswörterbuch für eine Person, die als „ruhig, überlegen, kaltschnäuzig“ bezeichnet werden soll; im Jazz meistens mit der Bedeutung „sich nicht reinsteigern, ruhig agieren“ |
„Directory“ |
meistens wird ein Unterverzeichnis/Ordner in der Dateistruktur eines Computers damit bezeichnet. Engl. directory steht eigentlich für jegliche Arten von Verzeichnissen, z. B. auch für Adress- und Telefonbücher. |
„DNA“ |
DNS (Verwendung des englischen anstelle des deutschen Akronyms für „Desoxyribonukleinsäure“) |
„Drink“ |
Getränk |
„etwas erinnern“ |
im Deutschen wird normalerweise die reflexive Konstruktion „sich an etwas erinnern“ verwendet (von remember something) |
„jemanden feuern“ |
jemanden entlassen, jemandem/jemanden kündigen (von to fire sb.) |
„File“ |
„Das File“ wird meistens im Sinne von „die Datei“ (auf einem Computer) verwendet. Tatsächlich ist engl. file ein Aktenordner oder gar eine Feile; eine Datei wäre auf Englisch eigentlich ein data file. |
„Graswurzel“ |
z. B. in „Graswurzel-Demokratie“ (direkte Übernahme aus dem Englischen: grass-roots democracy) im Sinne von Basisdemokratie |
„Hearing“ |
Anhörung |
„in 2003“ |
2003, im Jahre 2003 |
„Kid(s)“ |
Kinder (meistens nur im Plural gebräuchlich) |
„Kidnapping“ |
Entführung (von engl. to kidnap, ein „Kind entführen“). Eigentlich bezeichnet der englische Begriff eine Kindesentführung (engl. kid, umgangssprachlich für „Kind“), es wird aber für jede Art von Entführung von Personen, Tieren oder Gegenständen verwendet. |
„Kollaboration“ |
Zusammenarbeit (von engl. collaboration). Dieser Anglizismus ist besonders prekär, da im Deutschen das Wort „Kollaboration“ stets negativ gemeint ist, d. h. in der Bedeutung „mit dem Feind zusammenarbeiten“ bzw. „Landesverrat begehen“ |
„etwas kommunizieren“ |
etwas mitteilen (von to communicate something; im Deutschen wird „kommunizieren“ nur intransitiv verwendet) |
„Link“ |
Verknüpfung, Verbindung zu etwas anderem; vor allem zu anderen Internetseiten |
„Meeting“ |
Besprechung |
„Motherboard“ |
Hauptplatine (meistens eines Computers) |
„Mittlerer Osten“ |
Naher Osten (von Middle East, siehe Naher Osten) |
„Party“ |
Fest, wobei der Anglizismus auch den dafür in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufig gebrauchten Begriff „Fete“ (von dem französischen Wort „fête“) ersetzt hat |
„Peak“ |
Höhepunkt, Spitze in einem Diagramm, zum Beispiel bei der Gaschromatographie |
„Mein Punkt ist“ |
Mein Argument ist; Meine Idee ist (von to make a point); mir geht es um ... |
„etwas realisieren“ |
ist ein Anglizismus, wenn es im Sinne von „etwas bemerken“ (to realize, to realise) gebraucht wird; im Deutschen wurde realisieren (früher aus dem franz. réaliser entlehnt) zunächst nur als „etwas in die Tat umsetzen“ verwendet |
„Recycling“ |
Wiederverwendung, Wiederverwertung (seltener verwendet: „Rezyklierung“) |
„shoppen“ |
einkaufen (jedoch nicht im Supermarkt), von shopping |
„Sinn machen“ |
sinnvoll sein oder Sinn haben/ergeben (von to make sense) |
„Sorry!“ |
„Entschuldigung!“ |
„Tape“ |
Tonband(-kassette), Klebeband (insbes. als Verbandsmaterial) |
„Ticket“ |
Eintrittskarte, Fahrkarte, Flugschein, Strafzettel |
„Team“ |
Gruppe, Kollektiv, Arbeitsgemeinschaft, Mannschaft |
„Tool“ |
Werkzeug (meistens wird mit „Tool“ ein Dienstprogramm bezeichnet) |
„Trend“ |
Tendenz, erkennbare Entwicklung in eine bestimmte Richtung |
„Westbank“ |
Westjordanland |
„nicht wirklich“ |
„eigentlich nicht“ oder schlicht: „nicht“ (von not really) |
Viele der heute gebräuchlichen Anglizismen sind durch die deutsche Synchronisation meistens US-amerikanischer Filme entstanden. Da die Lippenbewegungen zu dem gesprochenen Text möglichst gut passen sollen, wurden, zusammen mit mangelnder Kenntnis der deutschen Sprache, Konstrukte wie „macht Sinn“ verbreitet. Diese Art von Anglizismen wird auch als „Synchrondeutsch“ bezeichnet.
Einen Sonderfall stellt die – häufig falsche – Übersetzung von engl. the same mit „der/die/dasselbe(n)“ dar. Je nach Satzzusammenhang müsste die korrekte deutsche Übersetzung entweder „der/die/dasselbe“ (they work in the same company = „Sie arbeiten im selben Unternehmen“) oder „der/die/das gleiche“ lauten (they have the same trees here = „Es gibt hier die gleichen Bäume“).
Anglizismus im DMS
Auch die Dokumenten-Technologien-Branche schmückt sich gern mit Anglizismen und laufend werden neue generiert. Sie bezeichnen nicht nur für einzelne Produkte, sondern manche erheben auch den Anspruch, Kategorien und Marktsegmente zu definieren, die für die gesamte Branche Gültigkeit haben sollen. Eine Reihe von Anbietern hat dabei versucht, ihre eigenen Marketing-Begriffe der Branche überzustülpen. Je größer der Anbieter, des do besser war die Chance, dass sich andere einem Begriff anschließen. Eine Reihe dieser angloamerikanischen Begriffe wurden ins Deutsche übertragen. Sie trugen aber hier nicht immer nur zur Klarheit bei. "Workflow" war ursprünglich nur das Routen von Dokumenten durch Netzwerke und keineswegs die voll integrierte "Vorgangsbearbeitung", die der deutsche Homo Bürocraticus erwartete. "Document Management" bezeichnete lediglich die Verwaltung von Dateien zur Überwindung der Probleme des hierarchischen Dateimanagements. In Deutschland wurde aber unter Dokumentenmanagement gleich das gesamte Angebot an Workflow-, Document-Management-, Archivierungs- und Groupware-Produkten subsummiert. Aus einer eng gefassten Klasse von Produkten wurde eine Branchenbezeichnung. Der Begriff "Document" in den USA entspricht nicht dem Begriff "Dokument" im Deutschen, der viel näher an den Urkundenbegriff angelehnt ist. Auch die Umsetzung von "Knowledge Management" in "Wissensmanagement" gelang nur teilweise, da der Anspruch des europäischen Bildungsbürgers an "Wissen" deutlich höher angesiedelt ist als der des US-Bürgers. So diskutierten denn Anbieter und potentielle Anwender munter aneinander vorbei. Die Begriffsumsetzung in die deutsche Sprache half hier nicht weiter, sondern trug eher zur Verwirrung bei.
Einige der neuen Begriffe aus den USA sind in Deutschland historisch vorbelastet. Obwohl nahezu jeder weiß, dass eine "Selection List" nichts anderes als eine Auswahlliste in einem Programmmenu darstellt, gibt es Computerzeitschriften, die den Begriff "Selektion" nicht mögen sondern lieber durch den nicht ganz zutreffenden Begriff "Extraktion" ersetzt sehen wollen. Der Begriff "Selektion" ist durch den Nationalsozialismus negativ besetzt. Dies wird auch bei dem neuen Schlagwort "Collaboration" deutlich, das im Deutschen mit "Kollaboration" übersetzt eine äußerst negative, historisch belastete Bedeutung hat. Darf man nun nicht mehr in einem technisch geprägten Wortschatz von "Collaboration" sprechen, denkt hier jeder sofort auch an die Unsäglichkeiten des zweiten Weltkriegs? Wenn man den Begriff ins Deutsche überträgt, lässt sich diese Gefahr nicht ausschließen. Da aber alle Anbieter im Umfeld von ECM En-terprise Content Management diesen Begriff inzwischen zur Kategorisierung von Produkten benutzen, trägt eine andere Übersetzung von "Collaboration", wie z.B. "Zusammenarbeit" nicht dazu bei, sich ein konkretes Bild der mit dem Produkt verbundenen Eigenschaften zu machen. Also besser nicht eindeutschen, bei den Anglizismen bleiben?
Übersetzungen von Ankronymen?
Die Anglizismen bringen aber noch ein weiteres Verständnisproblem mit sich. Viele der Begriffe setzen sich aus mehreren Worten zusammen und fordern damit die Bildung von Akronymen heraus. DM für Document Management, ERM für Electronic Records Management, ECM für Enterprise Content Management, CRM für Customer Relationship Management, ILM für Information Lifecycle Management ... die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Akronyme verführen dazu, sie leicht auf den Lippen zu führen, häufig nicht mehr wissend, was sie eigentlich bedeuten. Akronyme wehren sich auch erfolgreich gegen eine Übersetzung - denn was würde aus ECM werden, vielleicht UIV Unternehmensinhaltsverwaltung? Dann ist es doch besser bei Anglizismen und den ursprünglichen Akronymen zu bleiben, wenn sie denn wohl definiert und nachvollziehbar sind. Anläufe, wie sie Frankreich unternommen hat, möglichst alle Anglizismen ins Französische zu übersetzen, sollten in Deutschland keine Chance haben. Oder weiß jemand ad hoc was ein System "de la Geide" oder ein "Gestion de contenu" ist?
![]() |
Copyright © 2006-2012 english4everybody.com. All rights reserved |